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Kongressrückblick

Arzt-Depesche 2/2021

Die wichtigsten Neuheiten aus verschiedenen Kongressen des Jahres 2021

Therapieempfehlungen beim Mammakarzinom
In den aktuellen Therapieempfehlungen der AGO (Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie) zur loko-regionären Therapie des frühen Mammakarzinoms hat die intraoperative sonographische Lokalisation ohne Drahtmarkierung bei brusterhaltender Operation (BEO) und nicht palpablen Läsionen nunmehr den Empfehlungsgrad 1+ erhalten. Voraussetzungen für die Anwendung dieses Verfahrens sind sonographisch eindeutig darstellbare Läsionen, Ultraschallerfahrung des Operateurs und ein uneingeschränkt zur Verfügung stehendes, hochwertiges Sono- Gerät. Zur Deeskalation der Axillatherapie bei axillärem Lymphknotenbefall (cN+) wurde eine ultra-hypofraktionierte Radiotherapie (RT) nach BEO mit einer Gesamtdosis von 26 bzw. 28,5 Gray in fünf Fraktionen über ein oder fünf Wochen mit einem Empfehlungsgrad plus minus empfohlen. Erwähnt wurde zudem, dass die onkoplastische brusterhaltende Operation (OPS) in ausgewählten Fällen eine Mastektomie ersetzen kann und diese onkologisch gleichwertig mit einer BEO ist, während das ästhetische Outcome bei einer vergleichbaren Komplikationsrate in ausgewählten Fällen günstiger sein kann. Des Weiteren wurde im Algorithmus zur axillären Intervention bei neoadjuvanter Chemotherapie (NACT) ergänzt, dass bei anfänglich cN+-Fällen, die nach NACT nodal-negativ wurden, eine operative Deeskalation erfolgen sollte – vorerst aber nur im Rahmen von Studien.
Die Systemtherapie des frühen HER2 (human epidermal growth factor receptor 2)-positiven Mammakarzinoms wurde durch eine Anthrazyklin-freie Chemotherapie in Kombination mit einer anti-HER2-Therapie aufgewertet, wobei bei prämenopausalen Frauen bei einem höheren Rezidivrisiko nunmehr eine GnRHa(Gonadotropin-Releasing- Hormon-Analogon)-Therapie zur Ovarialfunktions-Suppression unabhängig von einer vorangegangenen Chemotherapie einsetzbar ist. Im empfohlenen Behandlungsalgorithmus des HR(Hormonre zeptor)-positiven/H ER2-negativen metastasierten Mammakarzinoms gilt die CDK4/6(cyclin dependent Kinase 4/6)-basierte Therapie weiterhin als Standard in der Erstlinie mit einer minimalen Änderung in der prämenopausalen Situation im Falle des Einsatzes eines Aromatase-Inhibitors (AI). Bei Progredienz der Erkrankung ist die Bestimmung von Biomarkern erforderlich, um passende weiterführende Behandlungsstrategien zu initiieren.
Beim triple-negativen metastasierten Mammakarzinom (TNBC) ist zur Festlegung der Therapiestrategie eine Biomarkertestung unumgänglich. Empfohlen wird hier eine Immuntherapie bei entsprechendem PDL1( Programmed cell death 1 ligand 1 )-Status und der Einsatz von PARP-Inhibitoren bei entsprechendem BRCA-Mutationsstatus.
 
Quelle: Symposien der AGO 2021; 22.–24. April 2021
 
Screeningalgorithmus
Die Krebsfrüherkennungs-Richtlinie (KFERL) hat sich in Deutschland seit Januar 2020 in zweierlei Hinsicht geändert – einmal erhalten gesetzlich Versicherte im Alter von 20 bis 65 Jahren eine Einladung zur Teilnahme an dem Früherkennungsprogramm, zweitens wird Frauen ab 35 Jahren nunmehr alle drei Jahre eine Kombinationsuntersuchung (Co-Test) aus PAP-Abstrich (Papanicolaou- Test) und HPV(Humane Papillomaviren)-Test angeboten. Unterstützt wird diese Herangehensweise durch Daten aus Metaanalysen zum Vergleich von HPV- und PAP-Test, in denen sich im HPV-Arm eine Reduktion der Inzidenz des Zervixkarzinoms um 71 % zeigte. Zudem war mit der HPV-Co-Testung ein Trend zu höherer Sensitivität und Spezifität der Zytologie zu beobachten. Frauen zwischen 20 und 34 Jahren haben laut der aktuellen KFE-RL wie bisher jährlich Anspruch auf eine zytologische Untersuchung mittels PAP-Abstrich. Durch die Co-Testung gelingt es mehr und früher, Auffälligkeiten festzustellen, sie führt aber auch zu einem Anstieg der Koloskopien. Noch sind potenzielle (Bio-)Marker zur Triage in der Zervixkarzinom- Diagnostik wie die duale Färbung von p16 (Cyclin dependent kinase inhibitor 2A) und des Proliferationsmarkers KI-67 (Kiel-Antigen 67) oder Methylierungsanalysen von Tumorsuppressorgenen Optionen von morgen.
 
Quelle: Symposien der AGO 2021; 22.–24. April 2021
 
HPV-Impfung
Obwohl aktuelle Studiendaten belegen, dass die HPV-Impfung das Risiko für das Auftreten eines Zervixkarzinoms reduziert, sind in Deutschland bisher weniger als 50 % aller 15-Jährigen geimpft, wobei bemerkenswerte regionale Unterschiede zu verzeichnen sind. Anhand von Studiendaten konnte jedoch auch gezeigt werden, dass eine HPV-Impfung nach Konisation bei CIN2+ (zervikale intraepitheliale Neoplasie Grad II) medizinisch sinnvoll erscheint und zur Risikoreduktion des Auftretens eines Rezidivs um 60–66 % führt.
 
Quelle: Symposien der AGO 2021; 22.–24. April 2021
 
S3-Leitlinie Analkarzinom
Eine für die (proktologische) Dermatologie relevante Neuerung besteht in der Empfehlung, klinische und zytologische Screeninguntersuchungen auf Analkarzinome (AK) neben Personen mit HIV auch anderen Personen mit erhöhtem Risiko anzubieten. Bei Verdacht auf AK umfasst die initiale Diagnostik die Dokumentation von Lage und Ausdehnung des Primärtumors, den histopathologischen Nachweis sowie die Durchführung klinischer, instrumenteller und bildgebender Untersuchungen.
 
Quelle: 51. Tagung der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft, 14.17. April 2021
 
Hautkrebs-Screening
Obwohl allen gesetzlich Versicherten in Deutschland seit 2008 das gesetzliche Hautkrebs-Screening (gHKS) kostenlos angeboten wird, zeigte eine über einen Zeitraum von 10 Jahren durchgeführte Studie eine regionale Variation des HKS und HK. So konnten räumlich-zeitliche Cluster identifiziert werden, in denen signifikant mehr oder weniger Menchen das HKS in Anspruch genommen hatten und entsprechende Diagnosen gestellt wurden. Im Allgemeinen wurde das gHKS von den Teilnehmern als positiv empfunden und bewertet. Die Auswertungen zeigten aber auch, dass sich die Untersucher ausreichend Zeit nehmen sollten, um über Befunde und Präventionsmaßnahmen aufzuklären. Die Fachgesellschaft appellierte außerdem eindringlich an die Bevölkerung, auch in Zeiten der Pandemie bei Hautveränderungen nicht zu warten, sondern sich umgehend untersuchen zu lassen. Hautkrebs-Früherkennungsuntersuchung wie auch Nachsorge sollten unbedingt wahrgenommen werden.
 
Quelle: 51. Tagung der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft, 14.–17. April 2021
 
Was ist Onko-Kardiologie?
Obwohl der Vortrag von Prof. Stephan von Haehling, Göttingen, unter dem Thema „Leitlinien in der Onko-Kardiologie“ stand, begann er diesen mit der Aussage, dass es eigentlich noch gar keine richtigen Leitlinien in der Onko-Kardiologie gebe, lediglich Konsensus- und Positionspapiere. So ging er im Folgenden näher auf Aspekte der Onko-Kardiologie ein und erklärte, dass sich diese nicht nur mit der Früherkennung und Prävention von durch Krebsmedikamente verursachten kardialen Dysfunktionen und Herzinsuffizienz, sondern auch mit dem direkten Einfluss der Tumorerkrankung auf das Herz-Kreislauf-System sowie mit den Auswirkungen von neuen Tumorerkrankungen bei Personen mit bekannter Herzinsuffizienz befasse. Viele der angewendeten Krebsmedikamente wie Anthrazykline, VEGF(Vascular Endothelial Growth Factor)-, Proteasom- und Immuncheckpoint-Inhibitoren (ICI) oder HER2(human epidermal growth factor receptor 2)-Antikörper gelten als potenziell kardiotoxisch. Als essenziell wird deshalb ein engmaschiges, interdisziplinäres Therapiemonitoring mit kardialer Magnetresonanztomographie (MRT), Elektrokardiogramm (EKG) und Bestimmung von Biomarkern wie NT-proBNP (biologisch inaktives pro B-natriuretisches Peptid) sowie Troponin betrachtet. So sollte nicht nur bei diagnostizierten Dysfunktionen wie einer LV(Left ventricular)-Dysfunktion frühzeitig eine entsprechende Therapie initiiert werden, sondern auch vor Therapiebeginn eine kardiale Risikoabschätzung bei den Patienten erfolgen.
 
Quelle: 87. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie, 7.–10. April 2021
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