Akute myeloische Leukämie

Arzt-Depesche 1/2020

Immunlandschaft nicht außer Acht lassen

Zielgerichtete Therapien bei akuter myeloischer Leukämie (AML) basieren vor allem auf der umfassenden Charakterisierung krankheitsspezifischer Mutationen aus Zell-intrinsischer Sicht. Nun rückt immer mehr ein Paradigma in den Vordergrund, das die Wechselwirkung zwischen mutierter Krebszelle und Immunsystem als Grundlage einer effektiven Therapie betrachtet.
Anhaltende Remissionsraten nach allogener Transplantation bewiesen, dass es mittels einer effektiven Immunantwort möglich ist, Leukämien erfolgreich zu behandeln. Der Erfolg von Immuncheckpoint- Inhibitoren bei soliden Tumoren hat die Forschung zu neuen Immuntherapien beflügelt und die Hoffnung genährt, dauerhafte Remissionen unter besser verträglichen Therapien zu erreichen. Während die genetische Charakterisierung der AML weit fortgeschritten ist, muss dafür aber das Zusammenspiel zwischen den beschriebenen genetischen Aberrationen und dem Immunsystem noch genauer untersucht und beschrieben werden.
 
Immundysregulation bei AML
Man vermutet, dass die Mutationen zusammen mit dem Differenzierungsstadium der Zelle und bestimmten metabolischen Faktoren das Immunmilieu der Krebszelle beeinflussen und so die Biologie sowie Prognose von Leukämien bestimmen. Mit im Mittel 13 Mutationen pro Patient ist die AML eine Krebsform mit niedriger Mutationslast und einer damit verbundenen geringen Immunogenität. TP53(cellular tumor antigen p53)-mutierte AML oder AML mit komplettem TP53-Verlust verfügen hingegen über eine höher Mutationslast und sind durch einen komplexen Karyotyp charakterisiert, was wiederum die Wahrscheinlichkeit steigert, auf die Checkpoint-Blockade anzusprechen.
Es konnte gezeigt werden, dass die immer wieder in AML auftretenden Mutationen regulatorische T-Zellen und deren Expansion fördern, die Proliferation der Effektor-T-Helfer-Zellen hingegen unterdrücken. Diese Mutationen bedingen zudem den Reifungsprozess von Markrophagen des antiinflammatorischen M2-Phänotyps, von denen vermutet wird, dass diese zur Immunsuppression im „tumor microenvironment“ führen und somit das Wachstum von Tumoren begünstigen.
Durch eine hohe Expression von M2-Markerproteinen, wie z. B. Arginase 1 (Arg1) und Indoleamin- 2,3-Dioxygenase (IDO) in den Leukämie- Zellen, M2-Makrophagen und den myeloiden Suppressorzellen (myeloid-derived suppressor cells, MDSC), wird die Aktivität der Effektor-T-Helferzellen unterdrückt. Hinzu kommt, dass durch die Mobilisierung von Fettsäuren durch Adipozyten im Microenvironment der Leukämie-Zellen die Effektor- T-Helferzellen inhibiert werden und somit eine antiapoptotische und immunsuppressive Wirkung hervorgerufen wird. Beispiele hierfür sind die Hochregulation des Scavenger-Rezeptors CD36 (Synonym: Thrombozytenglykoprotein 4), die des Rezeptors und Transkriptionsfaktors PPARG (peroxisome proliferator-activated receptor gamma), des fettsäurebindenden FABP4 (fatty acid binding protein 4) sowie des BCL2 (B-cell lymphoma 2).
 
Immunmodulator-Therapie
Ausgehend von der Annahme, dass eine erfolgreiche antineoplastische Therapie zur Tumorbekämpfung eine gegen den Tumor gerichtete Immunantwort hervorrufen muss, nahm man konventionelle Therapien hinsichtlich ihrer Immunogenität unter die Lupe.
Analysen zeigten, dass Demethylierungsagenzien (hypomethylating agents, HMA) einerseits die Leukämiezellen umprogrammieren, andererseits aber das Immun-Microenvironment der Tumorzellen umgestalten. Als Beispiel hierfür dient die Hochregulation des Haupthistokompatibilitätskomplex (major histocompatibility complex, MHC) durch HMA und die damit verbundene Veränderung des Microenvironment und der Antitumorantwort.
Berichtet wurde auch, dass einige Chemotherapeutika und auch die fraktionierte Radiotherapie den immunogenen Zelltod (immunogenic cell death, ICD) induzieren. Charakteristisch für ICD ist die Aktivierung der ungefalteten Proteinantwort, die eine komplexe Reaktion von Zellen auf Stress hervorruft, der durch die Ansammlung von Proteinen mit fehlerhafter Faltung im endoplasmatischen Retikulum (ER) entsteht.
Basierend auf der Erkenntnis, dass nicht nur zellintrinsische, sondern auch zellextrinsische Faktoren eine große Rolle für die Diagnose und den Erfolg der Therapie einer Leukämie spielen, werden zukünftige Diagnoseverfahren neben den morphologischen, immunophenotypischen, zytogenetischen und molekulargenetischen Analysen auch solche des Immunmilieus und des Metaboloms beinhalten müssen. Die Entwicklung geht in Richtung personalisierter Immuntherapie. GH
Quelle: Mendez LM et al.: The interplay between the genetic and immune landscapes of AML: ... Front Oncol 2019; 9:1162; doi: 10.3389/fonc.2019.01162
ICD-Codes: C92.-

Alle im Rahmen dieses Internet-Angebots veröffentlichten Artikel sind urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, auch Übersetzungen und Zweitveröffentlichungen, vorbehalten. Jegliche Vervielfältigung, Verlinkung oder Weiterverbreitung in jedem Medium als Ganzes oder in Teilen bedarf der schriftlichen Zustimmung des Verlags.

x