Tastuntersuchung auf Brustkrebs

Kongress der Deutschen Gesellschaft für Senologie 2021

Gyn-Depesche 4/2021

Männer, nehmt an Studien teil!

Mammakarzinome sind in den meisten Fällen weit mehr als eine gynäkologische Erkrankung des Brustgewebes: Sie beeinträchtigen die körperliche und psychische Gesundheit gleichermaßen, treten geschlechterunabhängig auf und bleiben oft nicht lokal begrenzt. Ein Überblick aktueller Studienerkenntnisse – präsentiert auf der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Senologie.
 
Aussagekraft des KI67 beim Mammakarzinom des Mannes
Diagnostik und Therapie des männlichen Mammakarzinoms orientieren sich stark an den Empfehlungen zur Frau – was schlicht daran liegt, dass für den Mann kaum Studiendaten vorliegen. Problematisch dabei ist, dass sich das Mammakarzinom des Mannes auf molekularer Ebene von dem der Frau deutlich unterscheidet, etwa durch eine seltenere HER2-Expression. „Das führt auch dazu, dass bewährte Prognosefaktoren, wie wir sie bei der Frau kennen, beim Mann nur begrenzt anwendbar sind“, erklärte Dr. Melanie Erices-Leclercq. Gemeinsam mit ihrem Team vom Evangelischen Krankenhaus Bergisch Gladbach hat sie deshalb die klinische Relevanz des Prognosefaktors KI67 im Hinblick auf das Gesamtüberleben bei männlichen Brustkrebspatienten genauer untersucht.
Da das Zellkernprotein KI67 nur in den aktiven Phasen des Zellzyklus exprimiert wird, ist es ein geeigneter Proliferationsmarker. Bislang gibt es jedoch kein einheitliches KI67-Analyseverfahren. Momentan besteht die Wahl zwischen drei Methoden: Der Expressionsmessung am Tumorrand, im Tumordurchschnitt oder in so genannten Hotspots – also in Arealen, die eine hohe Proliferation und damit eine hohe KI67-Anfärbung aufweisen.
Erices-Leclercq und ihre Arbeitsgruppe konnten zeigen, dass die Informationsqualität des KI67, erhoben im Tumordurchschnitt, hinsichtlich des Gesamtüberlebens signifikant höher ist als unter den beiden anderen Analyseverfahren. Unter Verwendung der ROC-Kurve und AUC-Korrelation ergab sich zudem, dass es für jede der drei Methoden einen separaten Cut-off-Wert benötigt: 13,5 % für die Messung im Tumordurchschnitt, 22,5 % in Hotspots und 17,5 % am Tumorrand.
Obwohl die Messung im Tumordurchschnitt die höchste Aussagekraft hinsichtlich der Überlebenswahrscheinlichkeit der Patienten besaß, zeigte sich auch für die Bestimmung am Tumorrand und in Hotspots ein Überlebensvorteil bei einer niedrigeren KI67-Expression, sofern der entsprechende Cut-off verwendet wurde. Ein weiterer Vorteil der KI67-Erhebung im Tumordurchschnitt sei, dass diese sowohl an der diagnostischen Biopsie als auch am Tumorresektat durchgeführt werden könne, so Erices-Leclercq abschließend.
 
Frauen mit HER2-positiven Tumoren und Hirnmetastasen
Etwa 40 % der Frauen mit metastasiertem HER2-positiven Mammakarzinom entwickeln Hirnmetastasen. Dennoch sind die klinischen Charakteristika dieses Patientinnenkollektivs und die Unterschiede zu anderen tumorbiologischen Subtypen kaum erforscht.
Ein Team um Dr. Elena Laakmann vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf hat dazu nun die Daten von 2.948 Brustkrebspatientinnen mit Hirnmetastasen aus dem nationalen Register Brain Metastases in Breast Cancer Network Germany (BMBC) ausgewertet. Bei 1.311 Patientinnen lag eine HER2-positive Tumorbiologie vor. Risikofaktoren für ein kürzeres Gesamtüberleben waren bei diesen Frauen unter anderem ein höheres Alter, Metastasen in der Fossa anterior, leptomeningeale Metastasen, neurologische Symptome sowie das Fehlen einer zielgerichteten Therapie nach Diagnose der Hirnmetastasen.
Die beste Prognose hatten Patientinnen mit hormonrezeptor (HR)-positiven Karzinomen – trotz einiger ungünstiger Parameter, wie höheren Raten an Meningeosis Carcinomatosa und extrakranialen Metastasen relativ zu HR-negativen Patientinnen. Neben der unterschiedlichen Tumorbiologie könnte die zusätzliche endokrine Therapie ein Grund für die bessere Prognose sein, weshalb es laut Laakmann möglicherweise weitere Konzepte für die Erweiterung der endokrinen Therapie bei Patientinnen mit zerebralen Metastasen braucht.
Im Vergleich zu HER2-negativen Patientinnen mit Hirnmetastasen waren solche mit HER2-positiven Tumoren sowohl bei Erstdiagnose des Mammakarzinoms als auch der Hirnmetastasen jünger. Sie erzielten höhere pCR-Raten bei der initialen Brustkrebstherapie, hatten häufiger Metastasen in der Fossa posterior, geringere Raten an Meningeosis Carcinomatosa und seltener extrakranielle Metastasen. Auch zeigten sich bei HER2-positiven Patientinnen ein längeres Gesamt- sowie progressionsfreies Überleben.
 
Vitamin D im Krankheitsverlauf
Daten von Teilnehmerinnen der BEGYN-Studie am Brustzentrum des Universitätsklinikums des Saarlandes zeigen erstmals, wie sich der Vitamin-D-Spiegel im Verlauf einer Mammakarzinom-Erkrankung entwickelt. Dazu wurde der Serumspiegel von 25-OH-Vitamin D bei Diagnosestellung und anschließend alle drei Monate bestimmt. Der Referenzbereich lag bei 30 bis 100 ng/ml. Patientinnen mit Vitamin-D-Mangel wurden oral substituiert (20.000 IE wöchentlich oder 2.000 IE täglich).
Der Anteil der Patientinnen mit einem Mangel sank von 68,5 % bei Baseline auf 43,6 % nach drei Monaten, auf 5,3 % nach neun Monaten. Mehr als zwei Drittel der Patientinnen wiesen damit bei Diagnosestellung einen Vitamin-D-Mangel auf. Die Autoren um Prof. Michael Zemlin vom Universitätsklinikum des Saarlandes schlussfolgern, dass die Vitamin-D-Serumkonzentration bei Frauen mit Mammakarzinom regelmäßig geprüft werden sollte, um einen Mangel rasch korrigieren zu können.
 
Mehr negativ als positiv: Schwach HR-positive Karzinome
Einige Studien geben Hinweise darauf, dass schwach HR-positive Mammakarzinome (1 bis 9 % Expression) im Bezug auf molekulare Eigenschaften und Outcome den triple-negativen Tumoren (0 %) ähnlicher sind als stark positive Tumoren (≥ 10 %).
Auch die Arbeitsgruppe um Dr. Simone Schrodi von der Ludwig-Maximilians- Universität in München konnte nach Auswertung von Daten des Tumorregisters München bestätigen, dass sich bei schwach HR-positiven Karzinomen mehr Übereinstimmungen mit triple-negativen als mit stark positiven Tumoren finden – insbesondere bei solchen mit HER2-negativem Status. In die Analyse eingeschlossen waren 38.560 Frauen mit invasivem Mammakarzinom, das zwischen 2004 und 2018 diagnostiziert wurde.
In der Subgruppe der Patientinnen mit HER2-negativen Karzinomen war das Gesamtüberleben der Frauen mit schwach HR-positiven Tumoren signifikant schlechter als das derjenigen mit stark HR-positiven Tumoren (multivariate Hazard Ratio 0,66). Zwischen schwach HR-positiven und HR-negativen wurde hingegen kein Überlebensunterschied festgestellt (Hazard Ratio 0,93). Auch hinsichtlich wichtiger Prognosefaktoren, wie dem Patientinnenalter, Größe und Ausdehnung des Tumors sowie dem Vorhandensein von Fernmetastasen, zeigten schwach HR-positive und HR-negative Tumoren deutliche Übereinstimmungen, die sie von den triple- negativen Tumoren unterschied.
Ein ähnlicher, wenn auch schwächer ausgeprägter Trend, zeigte sich auch bei HER2- positiven Karzinomen – einschließlich ähnlicher Überlebenskurven der schwach HR-positiven und der HR-negativen Tumoren mit erkennbaren Unterschieden zu stark HR-positiven Tumoren – statistisch signifikant waren diese Effekte jedoch nicht. „Der derzeitige Schwellenwert für Hormonrezeptor- Positivität und dessen klinische Relevanz sollten überdacht werden“, riet Erstautorin Schrodi. Zudem müsse man diskutieren, ob die Therapie der schwach HRpositiven Mammakarzinome an die der triple- negativen Tumoren angeglichen werden sollte. RG
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