Praxis-Depesche Kongress-Bericht

Praxis-Depesche 8/2021

Vom DGP-Kongress 2021: Ein Rück- und Ausblick auf die klinische Pneumologie

Mit dem Fokus auf die personalisierte Medizin lautete das diesjährige Motto „Präzisionsmedizin – persönlich und präzise“. Der Kongresspräsident Prof. Dr. Gernot Rohde, Frankfurt, erklärte: „Jeder Mensch hat eine ganz individuelle, ererbte Anfälligkeit für bestimmte Erkrankungen. Die Herausforderung ist, die richtige Therapie zum richtigen Zeitpunkt zu finden.“
Duale Bronchodilatation überlegen Prof. Claus F. Vogelmeier, Marburg, beleuchtete die Highlights in der COPD. Zunächst ging es um die Kontroverse der Kombination von LABA/LAMA versus Monotherapie bei Patienten, die keine inhalativen Steroide (ICS) benötigen. Nach der GOLD-2021-Empfehlung dürfen neu diagnostizierte Patienten ohne schwere Symptomatik und ohne prominente Exazerbationshistorie mit einem langwirksamen Bronchodilatator, LABA oder LAMA, behandelt werden. An gleicher Stelle wird verankert, dass bei Patienten mit schwerer Atemnot eine Initialtherapie mit zwei Bronchodilatatoren infrage kommt. Andere Leitlinien wie von NICE vertreten eine andere Auffassung, wonach bei Patienten ohne Asthmakomponente gleich zur Kombinationstherapie geraten wird. Ein Problem vieler Vergleichsstudien generiert die häufig gleichzeitige Anwendung von ICS. „In Studien mit ICS-naiven Patienten ist die duale Bronchodilatation überlegen“ resümierte Vogelmeier.
Auch zur Mortalität stellte er einige neue Informationen vor. Danach scheint die Tripletherapie die Todesrate zu senken und gemäß der ETHOS-Studie ist das nicht auf einen Absetzeffekt zurückzuführen. Dieser Befund ließ Vogelmeier fragen: „Warum ist die Vortherapie mit ICS so relevant für dieses Ergebnis?“
In diesen COVID-Zeiten berichtete er von der Erfahrung, dass die Zahl der Exazerbationen abgenommen hat und nach Analysen aus Amerika keine Übersterblichkeit an COPD zu beobachten ist. Die Konsequenzen für die künftigen Verhaltensempfehlungen sollten sehr sorgfältig bedacht werden, forderte er abschließend.
 
Steroide bei ILD wie fibrosierender EAA und Sarkoidose?
Prof. Michael Kreuter, Heidelberg, informierte zu Entwicklungen bei ILD und bedauerte fehlende Daten zu ILD und SARS-CoV-2. Schon jetzt kristallisieren sich aber schwerere Verläufe, häufigere Aufnahmen auf Intensivstationen, nach Entlassung eine höhere Sauerstoffbedürftigkeit und eine höhere Todesrate heraus. Dabei gelten als besondere Risikofaktoren Adipositas und – selbsterklärend – die fortgeschrittene Fibrose mit entsprechend eingeschränkter Lungenfunktion.
Zur medikamentösen Therapie beschrieb Kreuter ein überraschendes Ergebnis: Bei fibrosierender EAA führte die Steroidgabe zu einem negativen Überlebenstrend. Daten aus einem schwedischen Patientenregister belegen bei mit Immunmodulation behandelter Sarkoidose eine 1,8-fach höhere Rate an schweren Infekten und ein über zweifach höheres Risiko für Rezidive. Deshalb sollte die Immunmodulation auf ihre Notwendigkeit eingehend geprüft und nach ihrem Absetzen die Wiederaufnahme gut überlegt werden. Eine weitere große Sorge betrifft die pulmonale Hypertonie bei der idiopathischen pulmonalen Fibrose. Bisher zeigte die antifibrotische Therapie keine Wirkung auf die Hypertonie und auch umgekehrt war keine Besserung zu erreichen. Im Gegenteil, es wurde sogar eine Übersterblichkeit gesehen. Eine neue Hoffnung ruht auf Treprostinil. Erste Studien weisen auf eine Besserung der Gehstrecke hin, und auch positive Signale bei Mortalität und der respiratorischen Hospitalisation wurden gesehen. „Ich habe gelernt, dass bei Auftreten einer interstitiellen Lungenerkrankung die Behandlung einer Systemerkrankung mit Methotrexat immer abgesetzt werden muss“, erinnerte sich Kreuter. So gilt das heute nicht mehr, denn Patienten mit einer Lungenfibrose könnten möglicherweise sogar profitieren. Schließlich wies er noch hin auf ähnliche Behandlungsmöglichkeiten der progressiv fibrosierenden ILD mit Nintedanib und Pirfenidon.
 
Asthma-Highlights
Aus den vielen Fragen, die Asthmapatienten in COVID-Zeiten an die Ärzteschaft stellen, wollte Prof. Roland Buhl, Mainz, einige herausgreifen und beantworten:
* Asthma erhöht nicht das Risiko an COVID-19 zu erkranken, einen schweren Verlauf zu erleben oder daran zu versterben.
* Eine bewährte Therapie ist beizubehalten, insbesondere eine Steroidtherapie.
* Patienten mit schwerem Asthma sollten die Biologika-Therapie fortsetzen.
* Eine COVID-19-Impfung ist Asthma- Patienten ohne Wenn und Aber zu empfehlen.
 
Bei den Leitlinien ergaben sich Änderungen. So wurde GINA in zwei Pfade vereinfacht und die Kategorie intermittierendes Asthma aufgegeben. Diese Kategorie wurde dem milden Asthma zugeschlagen. Auch in der Nationalen VersorgungsLeitlinie Asthma bildet sich nun der Schwenk ab, die Therapie mit einer Fixkombination aus niedrig dosiertem ICS plus Formoterol als Bedarfsmedikation zu beginnen. Ganz aktuelle Resultate einer Cochrane-Analyse weisen in dieselbe Richtung. „Die Datenlage ist eindeutig, bei mildem Asthma verringert FABA/ICS nach Bedarf die Zahl der Exazerbationen, Hospitalisierungen und die Notwendigkeit systemischer Steroide“, fasste Buhl zusammen. Schwereres Asthma wird mit jetzt zugelassenen Kombinationen der Tripletherapie behandelt. Sollten Exazerbationen im Vordergrund stehen, wäre die Erhöhung der ICS-Dosierung eine Option. Biologika kommen bei schwerem Asthma zum Einsatz und aufgrund ihrer Wirkweise erweitert sich das Indikationsspektrum. Omalizumab wurde gerade in der Indikation Rhinosinusitis mit Nasenpolypen zugelassen. Als relevanten Aspekt der Biologika- Therapie hob Buhl hervor, dass nicht alle Biologika bei allen Patienten gleich wirken. Deshalb lohnt sich in vielen Fällen bei ungenügendem Effekt der Umstieg auf einen alternativen Antikörper. Zur Praktikabilität bleibt zu vermelden, dass alle zur subkutanen Injektion verfügbaren Antikörper zur Selbstinjektion zugelassen sind. Eine Hoffnung für die Zukunft birgt Tezepelumab, ein Antikörper, der unabhängig von Eosinophilenzahl oder Allergie zu wirken verspricht. VW
ICD-Codes: J44.9 , J45

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