Hämatologie & Lymphome

Arzt-Depesche 4-5/2019

Myeloproliferative Neoplasien: Genomik erhöht prognostische Präzision

Heutige Klassifikationssysteme für (BCR-ABL1-negative) myeloproliferative Neoplasien unterscheiden auf der Basis klinischer und labordiagnostischer Parameter zwischen den chronischen Neoplasien Polycythaemia vera (PV) und Essenzielle Thrombozythämie (ET) auf der einen und der Myelofibrose auf der anderen Seite. Die Grenzen zwischen diesen Subtypen sind aber fließend, und es fehlen bislang klare, prognostisch aussagekräftige Unterscheidungsmerkmale.
Eine von Wissenschaftlern entwickelte genomische Klassifikation myeloproliferativer Neoplasien und ein studienbasiertes prognostisches Modell wurden in einer internationalen Kohorte von insgesamt 2.035 Patienten validiert. Von den im Vorfeld der Studie sequenzierten und nach Treibermutationen und Veränderungen der Kopienzahlen charakterisierten 69 mit myeloproliferativen Neoplasien assoziierten Krebsgenen fanden sich 33 Gene mit Treibermutationen bei jeweils mindestens fünf der Patienten wieder. Bei fast der Hälfte der Patienten waren Mutationen in JAK2, CALR oder MPL die einzige Normabweichung. Die Zahl der Treibermutationen korrelierte mit höherem Alter und fortgeschrittener Erkrankung.
Mithilfe der vorliegenden Treibermutationen, Keimbahnpolymorphismen und demografischen Variablen konnte ohne Kenntnis des klinischen Befunds bestimmt werden, ob bei der betroffenen Person eine ET oder eine PV vorlag und, ob es sich um ein chronisches oder myelofibrotisches Krankheitsstadium handelte.
Auf Basis der gewonnenen Verlaufsdaten identifizierten die Forschenden acht genomische Subgruppen mit definierten klinischen Phänotypen, die – unter anderem anhand von Blutbildcharakteristika und des Risikos für die Transformation in eine Leukämie sowie des ereignisfreien Überlebens – klar voneinander abgrenzbar waren. Somit erarbeiteten die Wissenschaftler auf der Grundlage von 63 klinischen und genomischen Parametern Modelle zur Prognose des klinischen Verlaufs, welche sogar innerhalb individueller Kategorien bereits existierender Algorithmen die prognostische Genauigkeit verbesserten. Dies traf z. B. auf das International Prognostic Scoring System (IPSS) sowie das dynamische IPSS (DIPSS), die molekulare Hochrisikokategorie für Myelofibrose und den internationalen Prognosescore für essenzielle Thrombozythämie zu. TH
Quelle: Grinfeld J et al. Classification and Personalized Prognosis in Myeloproliferative Neoplasms. N Engl J Med 2018; 379: 1416-1430.
ICD-Codes: D45 , D47.3

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