Myeloischer Leukämie Zellen (AML) unter dem Mikroskop

AML-Therapie

Arzt-Depesche

AML mit hypomethylierenden Agenzien therapieren

Decitabin (5-aza-2‘-deoxycytidine), ein DNA-Methyltransferase-Inhibitor, wird zur Behandlung erwachsener Patienten mit neu diagnostizierter de novo oder sekundärer akuter myeloischer Leukämie (AML) eingesetzt, die sich nicht für eine Induktionschemotherapie eignen. In einem Übersichtsartikel wurden nun aktuelle Daten zur klinischen Bedeutung von Decitabin für AML-Patienten zusammengefasst.
Die erste Zulassung von Decitabin im Jahr 2021 basierte auf den Resultaten der multizentrischen Phase-III DACO-016-Studie, die von Daten der der DACO-017-Studie gestützt wurden. Im Vergleich zur Standardversorgung verbesserte sich unter Decitabin bei guter Verträglichkeit signifikant das Gesamtüberleben (OS) sowie das ereignis- (EFS) und progressionsfreie Überleben (PFS), aber auch die eigentliche Ansprechrate. Diese Resultate konnten in mehreren „real world“ Beobachtungsstudien bestätigt werden. 
Dabei nehmen molekulare Alterationen vermutlich Einfluss auf die Wirksamkeit einer Behandlung mit hypomethylierenden Agenzien, wie Decitabin und Azacitidin. So waren bei jüngeren AML-Patienten unter einer Standardtherapie Mutationen in DNMT3 (DNA-Methyltransferase3), FLT3-ITD (interne Tandemduplikation (ITD) in der Rezeptortyrosinkinase FLT3) und TP53 (human tumor protein 53) mit schlechterem OS und EFS assoziiert. Bei älteren Patienten mit FLT3-ITD und Mutationen im ASXL1(Additional Sex Combs-Like 1) zeigte eine Decitabin basierte Behandlung ein schlechteres Outcome. Auch Einzelmutationen im CEBPA1 (CCAAT/enhancer binding protein)-Gen wurden als ungünstiger prognostischer Faktor beschrieben. Aktuelle Studien belegen hingegen, dass ein ungünstiger Karyotyp oder Mutationen in TP53 keine negativen Auswirkungen auf die Sensitivität gegenüber einer HMA-Therapie haben. Wie aus den Daten der DCO-016 Studie hervorging, hatte Decitabin eine positive Wirkung bei AML-Patienten mit einem monosomalen Karyotyp (MK+), der per se mit einer ungünstigen Prognose verbunden ist. Daten einer Phase-III-Studie mit Patienten mit hoch-risiko myelodysplastischem Syndrom (MDS) untermauern, dass sich bei MK+ AML-Patienten die Prognose unter einer Therapie mit Decitabin verbessern kann. In Zellkulturen konnte gezeigt werden, dass sich der Vorteil von HMA gegenüber Cytarabin bei AML-Patienten mit chromosomalen Deletion wohl auf die Derepression und Reaktivierung stummgeschalteter hemizygoter Tumorsuppressorgene und endogener retroviraler Elemente (ERV) 1-3 sowie auf erhöhte Spiegel des H3K4me3 (epigenetische Modifikation des DNA-Verpackungsproteins Histone H3) zurückführen lässt. Ähnliche Resultate zeigten sich auch bei der Untersuchung von Blutproben von AML-Patienten, die mit Decitabin behandelt wurden. 
Obwohl Decitabin nachweislich als Monotherapie wirksam ist, gibt es nicht wenige AML-Patienten, die initial nicht auf die Behandlung ansprechen oder auch im Therapieverlauf Resistenzen entwickeln. Trotz weitreichender Untersuchungen sind die Mechanismen dafür noch nicht geklärt.  
Inzwischen wurden Kombinationstherapien mit verschiedenen Agenzien und Decitabin als Backbone bei AML-Patienten getestet. Am weitesten fortgeschritten ist dabei die Kombination von Decitabin mit Venetoclax, einem oralen BCL-2 (B-cell lymphoma 2) - Inhibitor. So zählen HMAs plus Venetoclax momentan zur Standardbehandlung bei älteren AML-Patienten, die für eine intensive Chemotherapie nicht geeignet sind. 
Auch wenn aktuell nur vorläufige Daten zu Kombinationen von Decitabin mit Molekülen, wie Magrolimab (CD47-Antikörper), APR246 (bindet kovalent an Cysteinreste im Kern des p53-Proteins) und Inhibitoren der Isocitrat-Dehydrogenasen 1-2 (IDH1/2) verfügbar sind, wird das Konzept einer HMA-basierten Doublette oder Triplette immer mehr an Bedeutung gewinnen für die Erstlinientherapie von AML-Patienten, die für eine intensive Chemotherapie nicht in Frage kommen. 
Somit stellt Decitabin eine wichtige Therapieoption für viele AML-Patienten dar, die für für intensivere Therapien ungeeignet sind. Momentan wird das fünf-Tage-Regime mit Decitabin in Europa empfohlen.GH
 
Quelle: Santini V. et al: The Clinical Value of Decitabine Monotherapy in Patients with Acute Myeloid Leukemia; Adv Ther. 2022 Apr;39(4):1474-88
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