Atopische Dermatitis

Arzt-Depesche 6/2019

Kann die Genetik helfen?

Atopische Dermatitis (AD) ist eine komplexe Erkrankung, welche aus heutiger Sicht durch das Zusammenspiel von Umweltfaktoren und genetisch bedingten Komponenten ausgelöst wird. In einem Review wurde nun der Zusammenhang zwischen der Genetik und der Pathogenese der AD dargestellt, aber auch mögliche Wege aufgezeigt, anhand individueller genetischer Daten gezielte Präventionsstrategien und maßgeschneiderte Therapien zu entwickeln.
Aus Familienstudien ergab sich, dass das Risiko, AD zu entwickeln um drei bis fünf Mal erhöht ist, wenn ein oder beide Elternteile unter AD litten. Die Erblichkeit einer AD von geschätzt 75 % ist somit für eine komplexe Eigenschaft sehr hoch.
Die bekannteste Mutation bei AD ist die Funktionsverlustmutation (FVM; Proteinexpressionsverlust) im FLG-Gen (FLG: Fillagrin), welches eine große Rolle im Aufbau und in der Aufrechterhaltung der Hautbarriere spielt. Genetische Varianten wurden aber auch für Interleukin(IL)-4, für den IL-4-Rezeptor und für IL-13, alles Kandidaten des Th2-Zytokin-Clusters auf Chromosom 5q31.1, im Zusammenhang mit AD beschrieben. Bei detaillierten Untersuchungen AD-ähnlicher Erkrankungen wurden FVM in den Genen DSG1 (Desmoglein) und DSP (Desmoplakin) identifiziert. Des Weiteren ergaben sich bei genomweiten Assoziationsstudien (GWAS) über 30 weitere genetische Loci, welche mit einem erhöhten AD-Risiko verbunden waren. Durch WES (Gesamt-Exom-Sequenzierung) und WGS (Gesamt-Genom-Sequenzierung) wurden zehn zusätzliche AD-Risikogene auf Chromosom 1 charakterisiert sowie eine dominant negative FVM in CARD14 auf Chromosom 17. Mithilfe der mendelschen Randomisierung wurde zudem herausgefunden, dass ein höherer Body Mass Index (BMI) ein kausales Risiko für AD darstellt. Ein kausaler Zusammenhang zwischen einem erhöhten Spiegel des C-reaktiven Proteins und Psoriasis sowie niedrigen Vitamin-D-Spiegeln konnte nicht gezeigt werden.
Die Anwendung der personellen Genetik gerade bei der Vorbeugung und Behandlung der AD könnte von großem Vorteil sein. So wäre die Entwicklung eines polygenetischen Risikoscores für AD als ein leistungsstarkes genetisches Diagnostiktool vorstellbar.
Die vielen neuen Erkenntnisse führten jedoch zu einem Paradigmenwechsel in der Sichtweise auf die Ursachen für AD. Inzwischen sieht man nicht nur den immunologischen Aspekt dieser Erkrankung, sondern betrachtet auch die gestörte Hautbarriere als eine wichtige Ursache für die AD. In Zukunft werden wohl immer mehr Gen – Gen- sowie Gen – Umwelt-Interaktionen, zunehmend mittels Multiomics, ins Visier der Untersuchungen rücken. GH
Quelle: Løset M et al.: Genetics of atopic dermatitis: from DNA sequence to clinical relevance. Dermatology 2019; Jun 14:1-10; doi:10.1159/000500402

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