Die dritte Seite

Arzt-Depesche 1/2017

Karzinom-Warnung durch Google?

Um es gleich zu Beginn klarzustellen: In der Studie, die nachwies, dass Anfragen an Internet-Suchmaschinen ein späteres Pankreaskarzinom beim Suchenden vorhersagen können, wurde Microsofts Suchmaschine „Bing“ verwendet – aber „Google“ (wie in der Überschrift genannt) ist nun einmal als Synonym für Suchmaschinen etabliert.

Was war in der Studie von Paparrizos J et al. (J Oncol Pract 2016) konkret untersucht worden? Man hatte die Internet-Suchanfragen von über sechs Mio. Menschen analysiert und nach Phrasen gesucht, die auf das Vorliegen eines Pankreaskarzinoms beim Nutzer hinwiesen (z. B. „Bei mir wurde ein Pankreaskarzinom entdeckt, was bedeutet das?“ Danach sah man sich die Suchanfragen dieser Betroffenen der vergangenen Monate an, z. B. in Hinblick auf Internetsuchen zu Symptomen oder Risikofaktoren des Pankreas-Ca.
Man fand, dass man mit dieser „Big-data-Analyse“ 5 bis 15% der Pankreas- Ca-Fälle hätte frühzeitiger identifizieren können (bei einer Falsch-positiv-Rate von 0,00001 bis 0,0001). Aber sollte „Bing“ tatsächlich als Suchergebnis Warnungen wie die folgende an Internet-User ausgeben: „Achtung! Es bestehen Anzeichen, dass Sie an einem Pankreaskarzinom leiden könnten. Bitte suchen Sie umgehend einen Arzt auf!“ Prof. Gerd Gigerenzer, Direktor des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung, Berlin, ist sich da nicht so sicher.
Zunächst, so Gigerenzer, ist gar nicht klar, ob Screening überhaupt Leben rettet; für die häufigsten 20 Tumorarten gab es in den vergangenen 50 Jahren dafür kaum Hinweise. Grund ist der Lead-time-bias (Vorlaufzeit-Verfälschung): eine frühere Diagnose bedeutet eben nicht automatisch ein längeres Überleben. Zweitens ist auch eine noch so niedrige Falsch-positiv-Rate von Bedeutung: In dem beschriebenen Beispiel würde die Suchmaschine bei elf von 100 000 Nutzern einen Krebsalarm auslösen, bei zehn wäre dieser aber ein Fehlalarm. Durch solche Warnungen, so Gigerenzer, werden systematische Missverständnisse sowohl bei Patienten als auch bei Ärzten provoziert. Um in der Medizin wirklich von Big data zu profitieren, sollten in einem ersten Schritt Transparenz gefördert und irreführende Statistiken abgeschafft werden. CB
Quelle:

Gigerenzer G: Can search engine data predict pancreatic cancer? BMJ 2017; 358: j3159

ICD-Codes: C25.3

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