Hämatoonkologie

Arzt-Depesche 1/2022

Immuntherapien erobern die Therapielandschaft

Trotz Hybridveranstaltung bot die Jahrestagung der Amerikanischen Gesellschaft für Hämatologie, der weltweit wichtigste und umfassendste Kongress der hämatologischen Onkologie, eine Plattform zum Austausch neuer spannender Daten, zum Diskutieren, zum Networking, zum Aufbau und zur Pflege von Kollaborationen und neuer Projekte. Sichtbar wurde: Die Therapie hämatoonkologischer Erkrankungen befindet sich im Wandel – nicht mehr nur im Forschungslabor.
Bei malignen Lymphomen stehen immer mehr Immuntherapien zur Verfügung
So erwies sich bei Patienten mit follikulärem Lymphom (FL), die zuvor eine Chemotherapie mit Anti-CD20-Antikörpern erhalten hatten, die Kombination aus Lenalidomid und Mosunetuzumab, einem bispezifischen Antikörper (BiTe) gegen CD20 und CD3, insgesamt als gut verträglich. Mit dieser Kombination zeigten sich auch bei Hochrisikopatienten hohe Ansprechraten, wobei sich zum Zeitpunkt der Auswertung noch 86 % der Patienten in Remission befanden.
Im Rahmen der Phase-II-Studie ZUMA-5 zur Drittlinientherapie beim indolenten Non-Hodgkin-Lymphom (iNHL), in der Axicabtagen-Ciloleucel, ein gegen CD19 gerichtetes CAR-T-Zell-Therapeutikum, untersucht wurde, ergab sich bei 94 % der Patienten eine mittlere Ansprechdauer von 38,6 Monaten.
Beim Mantelzelllymphom (MCL) waren die Real-World-Daten zur CAR-T-Zell-Therapie mit Brexucabtagen-Autoleucel, die vorwiegend bei Hochrisikopatienten mit TP53-Mutationen oder einem komplexen Karyotyp und größtenteils gegen BTKI(Bruton-Tyrosinkinase- Inhibitor)-refraktären Patienten eingesetzt worden war, leicht schlechter als in der vorangegangenen ZUMA-2-Studie. Beim BTKIrefraktären MCL zeigte ein neuartiger gegen CD20/CD3 gerichteter BiTe, Gofitamab, hohe Ansprechraten und gute Verträglichkeit. Vielversprechend waren auch die Daten zu dem nicht kovalent bindenden BTKI Pirtobrutinib (LOXO-305), dessen Einsatz in der Phase-I/II-Studie BRUIN zu hohen Ansprechraten bei BTKI-naiven sowie bei mit BTKI vorbehandelten Patienten bei gleichzeitig guter Verträglichkeit führte.
Die im Rahmen der multizentrischen Phase-III-Studie Zuma-7 untersuchte CART- Zell-Therapie mit Axicabtagen-Ciloleucel (Axi-cel) als Zweitlinientherapie beim refraktären/rezidivierenden (R/R) diffus großzelligen B-Zell-Lymphom (DLBCL) zeigte bei Patienten im Frührezidiv ein besseres Ansprechen sowie überlegenes ereignisfreies Überleben gegenüber der geltenden Standardtherapie, einer Salvage- Chemoimmuntherapie.
In der Phase-II-Studie ZUMA-12 führte der Einsatz der Axi-cel-CAR-T-Zell-Therapie in der Erstlinientherapie bei Patienten mit Hochrisiko-LBCL nach median 15,9 Monaten zu einer Ansprechrate von 89 %, davon 78 % Komplettremissionen.
In einem der Late-breaking Abstracts wurde mit Polatuzumab-Vedotin, einem gegen CD79-gerichteten Antikörper-Wirkstoff- Konjugat, ein neues Behandlungskonzept vorgestellt für die Erstlinienbehandlung des DLBCL. Im Vergleich zum bisher angewendeten Chemotherapie-Regime CHOP, bestehend aus Cyclophosphamid, Doxorubicin, Vincristin und Prednison, konnte Pola-R-CHP (Polatuzumab-Vedotin, Rituximab, Cyclophosphamid, Doxorubicin, Prednison) das progressionsfreie Überleben (PFS) signifikant verbessern. Dieses erfolgversprechende Behandlungsregime könnte dann dem Einsatz intensiverer Therapieprotokolle vorgezogen werden, so die Autoren.
Überrascht war man von den Daten einer Phase-III-Studie, die zeigten, dass die Tisagenlecleucel-CAR-T-Zell-Therapie bei aggressiven Non-Hodgkin-Lymphomen in der Zweitlinie in Bezug auf das ereignisfreie Überleben nicht besser abschnitt als die Standardtherapie, bestehend aus einer Chemotherapie und darauffolgender autologer Stammzelltransplantation.
 
Signalinhibition als Therapieziel
In der Interimsanalyse der Phase-III-Studie SEQUOIA zeigte sich unter Zanubrutinib, einem selektiven BTKI, nach 24 Monaten ein signifikant besseres PFS für therapienaive Patienten mit chronischer lymphatischer Leukämie (CLL), die keine Deletion im Chromosom 17 (del[17p13]) aufwiesen.
Bei älteren oder unfitten Patienten führte die Kombination des BTKI (Ibrutinib) mit dem BCL-2-Inhibitor (Venetoclax) (Ibr+Ven) zu einer tieferen und anhaltenderen molekularen Remission verglichen mit der Kombination aus Chlorambucil und dem CD20-Antikörper Obinutuzumab. Weiterhin hohe Ansprechraten wurden auch bei CLL für Pirtobrutinib (LOXO-305) beobachtet, das somit als vielversprechende Therapieoption auch für BTKI-vortherapierte Patienten in der Rezidivbehandlung gilt.
Dass das Monitoring der MRD (measurable residual disease) zur Prognose und Steuerung zielgerichteter Therapien auch bei CLL genutzt werden kann, zeigten primäre Analysen der Phase-II-Studie Vision HO141. Die Daten belegen, dass eine anhand des MRD-Status zeitbegrenzte Behandlung mit Ibr+Ven bei der R/R-CLL machbar ist und zudem ein vorteilhaftes Nutzen-Risiko- Profil aufweist. Keiner der Patienten war nach Absetzen der Therapie progredient. Bei erneuter MRD-Positivität konnte die Therapie erfolgreich reinitiiert werden.
 
Zielgerichtete Substanzen
Dass eine gezielte Signalinhibition auch bei akuter myeloischer Leukämie (AML) zu einer erfolgreichen Behandlung führen kann, untermauern Daten einer Phase-IIIStudie, die zeigen, dass eine Tripletttherapie aus Azacitidin (Aza) und Venetoclax bei älteren Patienten mit einer Mutation im Gen der FMS-like-Tyrosin-Kinase 3 (Flt3) zu signifikant mehr Komplettremissionen als unter alleiniger Aza-Therapie führte.
Erfolgsversprechende Daten wurden zudem für die Behandlung von AML-Patienten, die Mutationen im Gen des Enzyms Isocitrat-Dehydrogenase 1 (IDH1) aufweisen, gezeigt. Die Kombination aus Aza und Ivosidenib, einem oralen Inhibitor des mutierten IDH1-Enzyms, führte zu einem signifikant verlängerten Gesamtüberleben bei unfitten Patienten im Vergleich zur alleinigen Aza-Gabe.
 
T -Zell-Tumore rücken ins Visier der Therapieforschung
Die auf dem ASH-Kongress 2021 vorgestellten neuen Wirkstoffsubstanzen zielen auf verschiedenste Zellmechanismen, decken aber immer noch wenig verschiedene Indikationen ab.
Weitere Erfolge lassen sich mit CD38-Inhibitoren verzeichnen, wobei auch auf das B-Zell-Reifungsantigen (BCMA) zielende neue Wirkstoffe an Bedeutung gewinnen. Dabei ist es schon aufgrund der Zielmoleküle nicht verwunderlich, dass vor allem das multiple Myelom als Indikation im Fokus steht.
Nachdem sich die Immunonkologie in den letzten Jahren vorrangig auf die Entwicklung und Validierung von Therapeutika für B-Zell-Lymphome fokussiert hat, wurden diesmal wider Erwarten auch Zielmoleküle für T-Zell-Tumore vorgestellt. Mindestens drei Firmen haben inzwischen gegen CD7 gerichtete CAR(chimärer Antigenrezeptor)- T-Zell-Therapien für die TZell- akute lymphatische Leukämie (T-ALL) in Phase-I-Studien aufgenommen.
 
Substanzen der Zukunft
Die neu vorgestellten Wirkstoffe richten sich gegen Zielmoleküle sowohl in den Immunsignalwegen und Zellsignalpfaden als auch gegen solche des Zellzyklus, Zellmetabolismus und der Proteindegradation, aber auch gegen Regulatoren der Transkription sowie Translation.
Vorgestellt wurde CD21 als Zielmolekül, welches in 70 % der T-ALL-Fälle nachweislich exprimiert wird und selektiver für Krebszellen ist. Geplant ist, eine gegen TRBC2 (T cell receptor beta constant 2) gerichtete T-Zell-Therapie für T-Zell-Lymphome in die Klinik zu bringen.
Beschrieben wurden zudem Zielmoleküle bei T-Zell-Tumoren, wie der auf follikulären T-Helferzellen beim angioimmunoblastischen T-Zell-Lymphom (AITL) hochexprimierte Transkriptionsfaktor Yin Yang 1 (YY1) oder der auch bei der T-ALL hochregulierte SRY-Box-Transkriptionsfaktor 11 (SOX11). Als potenzielles Therapeutikum wurde ein Inhibitor der Phosphodiesterase 6D zur Behandlung von RAS(G-Protein Ras)-mutierten T- und B- ALLs vorgestellt.
 
Multiples Myelom weiterhin im Fokus
Auch wenn es schon einige innovative Therapien für das multiple Myelom (MM), wie die CAR-T-Zell-Therapie sowie Behandlungen mit bispezifischen Antikörpern oder Antikörper-Wirkstoff-Konjugaten (ADC), bis in die Klinik geschafft haben, bleibt das MM aufgrund seiner hohen Heterogenität und des hohen Rückfallrisikos sowie der Therapieresistenz im Blickpunkt der Therapieforschung. Im Visier stehen dabei unter anderem das beim refraktären/rezidivierenden MM überexprimierte B-Zell-Antigen LMA, die kleinen Ribonukleoprotein-assoziierten Kernproteine B und B1, die regulatorische Protein-Phosphatase-1-Untereinheit 15B des Translationsinitiationskomplexes (PPP1R15B) und die Metabolite ASAH1 (N-Acylsphingosin-Amidohydrolase 1) und PYCR1 (Pyrrolin-5-Carboxylat-Reduktase 1). Zudem wird an der Entwicklung von Cereblon-E3-Ligase-modulierenden Substanzen (CELMoDs), größeren Molekülen, die bei der Degradation spezifischer Proteine mitwirken, verstärkt gearbeitet. GH
ICD-Codes: C91.1 , C92.- , C85.1

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